“Naturabenteuer mit einer Schulklasse”: Rück- und Einblick zu unserer Arbeit

Im Folgenden geben wir euch Einblick in eines unserer Highlights vom 2024: Wir durften für eine Oberstufenklasse ein massgeschneidertes, 2-tägiges Angebot kreieren. Wir stehen Red und Antwort und nehmen euch mit in dieses unvergessliche Abenteuer - vielen Dank für diesen spannenden Auftrag!

Simone, wie sieht das Setting und der Auftrag bei einer solchen Anfrage an den Wachstumsraum aus?

Simone: Das Lehrer:innenteam einer regionalen, altersdurchmischten Oberstufenklasse wandte sich im Sommer 2023 erstmals mit einer Anfrage an den Wachstumsraum. Damals war klar, dass die Oberstufe in dieser Region aufgrund des Lehrkräftemangels neu organisiert werden musste. Die Oberstufenschüler:innen aus drei Gemeinden wurden zu einer grossen Klasse mit mehr als 30 Jugendlichen zusammengeführt.

Den Lehrpersonen war es besonders wichtig, aus dieser bunt gemischten Gruppe ein starkes und unterstützendes Team zu formen, in dem sich alle sicher und wohlfühlen können. Sie waren überzeugt, dass Lernen nur in einem solchen Umfeld gelingen kann.

Gemeinsam kamen die Lehrpersonen zu dem Entschluss, dass zwei Tage in der Natur – mit gemeinsamem Kochen, Übernachten unter dem Sternenhimmel und weiteren teambildenden Aktivitäten – den Klassenzusammenhalt und den Kontakt zwischen den Schüler:innen nachhaltig stärken würden.

Da die Schule über begrenzte finanzielle Mittel verfügt, war von Anfang an klar, dass diese Unternehmung kostengünstig gestaltet werden musste. So wurde auf eine lange Anreise und ein Lagerhaus verzichtet.

Die Schule suchte den Kontakt zum Wachstumsraum, um dieses Vorhaben zu realisieren. Nachdem die 1. Version des «Natur-Abenteuers» im 2023 erfolgreich über die Bühne ging, kam kurze Zeit später bereits die Anfrage für die Zweitausgabe im August 2024.

Wie geht der Wachstumsraum mit einer solchen Anfrage um und wie entwickelt ihr dann das Programm für ein solches Teambuilding?

Sandro: Nach dem die Auftragsklärung mit den Auftraggeber:innen erfolgt ist, beginnen wir parallel mit der Ausarbeitung des erlebnispädgagischen Teils und der Suche nach einem geeigneten Naturraum. Wir verfügen über verschiedene Plätze, an denen wir solche Settings durchführen können, haben aber in dem Fall aufgrund der Bedingung einer kurzen Anreise im Raum Diemtigtal/Simmental nach einem neuen Platz gesucht. Er verfügt im Idealfall über genügend ebene und räumlich verteilte Flächen zum Erstellen von einem Gruppencamp mit Feuer, sowie verschiedenen Biwaks für die Teilnehmer:innen. Zudem benötigen wir Zugang zu Frischwasser und Brennholz (wird in der Natur gesammelt) und ist ruhig und etwas abseits gelegen. Dies ermöglicht ein ungestörtes Arbeiten und das komplette Eintauchen in die Natur.

Als Erlebnispädagoge und Outdoor Guide schaue ich mir die Plätze immer vor Ort an und kläre mit den entsprechenden Besitzern die Nutzung und Abrechnung. In diesem Fall konnten wir zudem von einem benachbarten Betrieb Milchprodukte und frisches Trinkwasser beziehen. Wir versuchen sowieso immer soweit möglich lokal einzukaufen und ansässige Geschäfte zu berücksichtigen.

Parallel dazu beginne ich mit der Skizzierung eines ersten groben Ablaufplanes der sowohl die Outdooraktivitäten wie Campbau, Sicherheit, Kochen etc. beinhaltet und genügend Raum lässt für das Teambuilding und Erarbeiten von einem «gemeinsamen Miteinander» in der Klasse und dem Unterricht. Wir verfügen über viele verschiedene Methoden für das Teambuilding,  aus denen ich die geeignetsten auswähle. Zusammen mit Simone detailliere wir dann das Programm und schreiben eine Drehbuch, das wir mit den Auftraggeber:innen besprechen und uns das Ok geben lassen.

Die Magie von speziel für das jeweilige Setting ausgewählten Naturräumen

Als ehemalige Schulleiterin kennt Simone die Bedürfnisse von Schülern und Klassen sehr gut und kann zusammen mit Sandro die detaillierten Punkte für die erfahrungsorientierte Teambildung ausarbeiten.

Simone: Für eine Schule ist es wichtig, dass die Schülerinnen und Schüler nicht nur fachliche Kompetenzen erwerben, sondern auch soziale und emotionale Fähigkeiten entwickeln. Draussen Lernen fördert den Teamgeist, stärkt die Resilienz und schafft einen Rahmen, in dem die Kinder Verantwortung übernehmen und Konflikte konstruktiv lösen können. Gleichzeitig unterstützt es durch Bewegung und Naturerfahrungen die Gesundheit und Konzentrationsfähigkeit der Lernenden. Die Schule sieht darin eine wertvolle Ergänzung zum klassischen Unterricht, um ein positives Klassenklima zu fördern und moderne pädagogische Ansätze umzusetzen. Ihr Ziel ist es, nachhaltige Lernprozesse zu ermöglichen, die über die Schulzeit hinauswirken, und ein Umfeld zu schaffen, das sowohl die Schülerinnen und Schüler als auch die Lehrkräfte entlastet und motiviert. Gerade wenn ehemalige Schüler:innen einen Schulbesuch machen, erzählen sie gerne, was ihnen in guter Erinnerung geblieben ist: Es sind selten die Grammatikregeln oder die Math-Formeln – es sind vielmehr die Begegnungen, die Erlebnisse oder die Gemeinschaft im Klassenverband.

Ihr habt also von der Schule das Go erhalten und der grosse Tag steht an. Wie ist das für euch und was bemerkt ihr immer wieder?

Sandro: Ich kenne den Schulalltag nur noch aus meiner eigenen Schulzeit (und die ist doch schon etwas länger her…). Ich bin aber immer wieder erstaunt, wie sich die Stimmung einer Klasse über die Zeit verändert. In der Regel spüre ich zu Beginn bei den Schüler:innen eine grosse Zurückhaltung, meistens einige Unsicherheit über das sich draussen aufhalten und übernachten und oft auch eine «kein Bock auf den Sch… Stimmung».  Es dann unsere Aufgabe sehr schnell einen offenen und wertschätzenden Kontakt herzustellen, um einen sicheren Raum zu schaffen, in dem sich die Menschen öffnen und wir dann gemeinsam arbeiten können.  Wir erreichen das, in dem wir allen auf Augenhöhe begegnen und sie von Anfang an stark einbinden und beteiligen.

Das unter der Leitung der 9. Klässer:innen errichtete Gruppencamp

Sandro, du hast die «kein Bock» Stimmung erwähnt, bleibt das so und stellt ihr grossen Widerstand fest oder wie verändert sich die Stimmung in der Gruppe im Verlauf mit dem draussen unterwegs sein, und zusammen arbeiten?

Sandro: Das Stimmung verändert sich definitiv und ich bin immer wieder fasziniert davon, wie schnell das geschieht. Meistens reichen einige wenige Stunden, um den Aufenthalt in der Natur sein Wunder tun zu lassen. Wir stellen immer fest, dass die Menschen generell (nicht nur Schüler:innen) ruhiger und gelassener werden, sobald sie in einen Naturraum eintauchen. Die Distanz zum Alltag, das Fehlen von geschlossenen Räumen und die vielen nicht alltäglichen Eindrücke machen etwas (Positives!) mit uns. Wir gestalten das Programm in der Regel auch so, dass die Teilnehmer:innen sehr schnell selbst aktiv werden müssen und zum Beispiel im Team ein Gruppencamp errichten oder ihr eigenen Camp aufbauen. Dies führt ihnen ihre Selbstwirksamkeit vor Augen und sie erzielen erste Erfolge, die motivierend für den weiteren Verlauf sind.

So ein eigenes Camp bauen und damit für eine gute Nacht verantwortlich sein, ist ja nicht gerade Nichts. Was sagen die Schüler:innen dazu, wenn sie dann die Nacht draussen verbracht haben?
Simone: Gemäss den Aussagen der Lehrer:innen erzählten die Schüler:innen noch lange nach dem Natur-Abenteuer Geschichten von den gemeinsamen Erlebnissen. In diesem Jahr stand das Abenteuer unter dem Motto: „Keine:r geht verloren!“. Dieses Motto begleitet die Klasse auch heute noch regelmässig im Schulalltag. Die Schüler:innen wissen nun von sich, dass sie ihre Komfortzone verlassen, draussen übernachten, auf dem Feuer kochen und Herausforderungen bewältigen können. Dadurch haben sie ihre Kompetenzen deutlich erweitert. Die Lehrer:innen können immer wieder auf diese gemeinsamen Erlebnisse zurückgreifen, da sie gesehen und erlebt haben, was die Schüler:innen tatsächlich leisten können.

Sandro: Am Morgen begrüssen uns jeweils strahlende und natürlich auch einige weniger freudige Gesichter. Wir sehen von Luxuscamps, die mit sehr viel Liebe und Aufmerksamkeit gestaltet worden sind, bis hin zu sehr minimalistischen Lösungen eigentlich alles. Wir lassen ihnen dabei nach einer kurzen Einführung insb. zu Sicherheitsfaktoren die grösstmögliche Freiheit und schreiten erst dann ein, wenn wir merken, dass es für Leib und Leben gefährlich wird (z.B. grosse tote Äste direkt über einem Biwak oder bei Regen steigende Bachpegel). Die Schüler:innen erleben unmittelbar am eigenen Leib und Wohl, was es bedeutet, für sich selbst und seine Umstände verantwortlich zu sein. Der Moment in dem sie realisieren, dass sie es selbst in der Hand haben, ist immer ein sehr wertvoller Moment.

Die verschiedenen Camps der Schüler:innen

Ihr habt Eingangs Methoden zum Teambuilding und Gruppenarbeiten erwähnt. Was habt ihr zu «wie sieht ein gutes Miteinander aus» gemacht und wie nutzt ihr metaphorisches und systemisches Arbeiten, um dieses Ziel zu erreichen?

Simone: Im ersten Jahr haben die Schüler:innen in Gruppen von etwa 6–8 Jugendlichen an verschiedenen Naturplätzen mit Naturmaterialien (Äste, Gräser, Tanzapfen etc.; was sich so in der Natur finden lässt) visualisiert, was für sie zu einem starken Miteinander gehört. Eine Gruppe baute beispielsweise im Bergbach sogenannte „Steinmandli“ und übertrug diese Metapher auf ihr Klassenklima: Was ist das Fundament unserer Klasse? Wie sorgen wir dafür, dass das Gebilde stabil bleibt? Wie schaffen wir eine gute Balance? Welches Umfeld braucht es, damit der „Steinmandli“-Turm möglichst lange hält? Diese Fragen begleiteten die Gruppe während des Aufbaus.

Im darauffolgenden Jahr lautete der Auftrag, mithilfe von Naturmaterialien ein Mobile zu gestalten. Dabei wurde das systemische Gedankengut besonders deutlich: An einem Mobile kann kein Teil bewegt werden, ohne dass es Auswirkungen auf das Ganze hat. So ist es auch in einer Schulklasse – wenn es an einem Punkt instabil oder unruhig ist, wirkt sich das auf die gesamte Gruppe aus. Wenn ein Gruppenmitglied einknickt, hat dies Auswirkungen auf das ganze Klassensystem.

Auf was legt ihr besonders wert bei solchen Aufträgen und wie geht ihr damit um, wenn komplexe Situationen auftreten?

Simone: Die Leitung in der Prozessbegleitung versteht sich als moderierende und unterstützende Instanz, die den Rahmen für eine positive und zielgerichtete Entwicklung setzt. Sie sorgt für klare Strukturen, schafft eine vertrauensvolle Atmosphäre und fördert die Selbstorganisation der Beteiligten. Dabei bleibt die Leitung aufmerksam für Gruppendynamiken und individuelle Bedürfnisse, greift jedoch nur ein, wenn dies für den Prozess notwendig ist. Manchmal gilt es, Spannungen oder Unsicherheiten auszuhalten, ohne sofort einzugreifen, da solche Momente oft wichtige Erkenntnisse und Entwicklungen ermöglichen. Wir vom Team „Wachstumsraum“ übernehmen hierbei eine externe Leitungs- bzw. Begleitfunktion. Dies ermöglicht uns, den Prozess mit einer neutralen Perspektive zu begleiten, was uns unter Umständen leichter fällt als den Lehrer:innen, die Teil des Systems sind. Unser Ziel ist es, durch gezielte Impulse Reflexion und eigenverantwortliches Handeln der Gruppe anzuregen, ohne die Ergebnisse vorwegzunehmen. Eine wertschätzende Haltung und die Fähigkeit, flexibel auf Entwicklungen zu reagieren, sind zentrale Elemente unseres Rollenverständnisses.

Sandro: Ein spannender Moment im zweiten Jahr war beispielsweise das Errichten des Gruppencamps. Die Schüler:innen der neunten Klasse hatten dies im Jahr vorher bereits einmal erlebt. Entsprechend habe ich sie in die Führungsrolle geschubst und sie haben den Auftrag erhalten, mit den unteren Klassen zusammen, das Camp zu errichten. Zu Beginn kam einiges an Gemecker, dass sie nicht mehr wüssten wie, es nicht könnten und es sowieso zu schwierig sei. Mit etwas Unterstützung von aussen konnten sie aber schnell ihr gemeinsames Wissen über den Aufbau zusammentragen und waren erstaunt, wie viel sie noch wussten. Damit war es ihnen in kurzer Zeit möglich zusammen mit dem Rest der Gruppe das Gruppencamp zu errichten. Aus der anfänglichen Skepsis und Unsicherheit entwickelte sich bei der neunten Klasse rasch ein «wow, wir können das gemeinsam und haben es erfolgreich geschafft» Gefühl und stolze und strahlende Gesichter. Wir versuchen immer wieder solche Momente  zu schaffen, die zeigen, um den Teilnehmer:innen ihre Selbstwirksamkeit vor Augen zu führen das Selbstwertgefühl zu stärken.

Zusammen Pizza Calzone vorbereiten und dann auf dem Feuer backen

Was ist der Nutzen eines solchen Anlasses und wie steht es um die Nachhaltigkeit?

Simone: Ein solches Setting bietet Klassen, Schülerinnen und Schülern sowie Lehrpersonen vielfältige Vorteile. Die gemeinsame Arbeit in der Natur fördert den Teamgeist und stärkt das Vertrauen innerhalb der Gruppe. Schülerinnen und Schüler erleben, wie wichtig Kooperation, Kommunikation und gegenseitige Unterstützung sind, um gemeinsame Ziele zu erreichen. Sie erweitern ihre Kompetenzen, indem sie Verantwortung übernehmen, kreative Lösungen finden und Herausforderungen meistern. Gleichzeitig erleben sie ihre Lehrpersonen in einer anderen, oft unterstützenden und partnerschaftlichen Rolle, was die Beziehungsebene nachhaltig stärkt. Dieses veränderte Rollenbild fördert gegenseitigen Respekt und Verständnis und erleichtert die Zusammenarbeit im schulischen Alltag. Für die Lehrpersonen bietet sich die Chance, die Schülerinnen und Schüler aus einer neuen Perspektive kennenzulernen und diese Erkenntnisse in den Unterricht zu integrieren. Darüber hinaus schaffen die gemeinsamen Erlebnisse eine Basis für langfristige, positive Dynamiken, die den schulischen Alltag bereichern.

Von dieser Klasse wissen wir, dass das Natur-Abenteuer in Gesprächen mit den Schüler:innen, den Eltern, den Lehrer:innen und den Behörden immer wieder neu ein Thema ist – nicht selten werden abenteuerliche, lustige, überraschende Erlebnisse aufgefrischt und sind somit wieder präsent.

Machen wir zum Schluss noch einen Ausblick aufs 2025: Worauf setzt ihr euren Fokus im neuen Jahr?

Simone und Sandro: Für uns als Prozessbegleiter:in und Coaches gibt es nichts Erfüllenderes, als mit Menschen zu arbeiten, die wirklich Lust auf Veränderung haben. Ihre Energie, ihr Wille zur Weiterentwicklung und ihre Bereitschaft, an sich zu arbeiten, entfachen unser inneres Feuer. Sie sind der Grund, warum wir diese Aufgabe – für uns sowohl Berufung als auch Leidenschaft – so sehr lieben.

Ob es darum geht, alte Gewohnheiten zu durchbrechen, hinderliche Gedankenmuster zu erkennen, neue Ziele zu setzen, die eigene Gefühlswelt zu erforschen oder einfach die beste Version seiner selbst zu werden: Wir sind da, um Menschen auf diesem Weg zu begleiten. Wir reichen ihnen die Hand und unterstützen sie.

Kein Abgrund ist uns zu tief, kein Schatten zu dunkel. Wir halten den Raum, damit Wachstum geschehen kann.

So freuen wir uns darauf, Menschen ein massgeschneidertes Angebot zu unterbreiten – sei es in Form eines Natur-Coachings, eines Solos, eines teambildenden Gruppen-Anlasses oder eines Outdoor-Kochens.

Deine frühzeitige Kontaktaufnahme freut uns ganz besonders 😊

Wie sieht ein gemeinsames Miteinander aus?

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