Der Zweck der Existenz

Für den Wachstumsraum schreibt diesen Monat SANDRO

Ganz weit oben im Norden von Schweden liegt mit dem Sarek Nationalpark eine der letzten richtigen Wildnis von Europa. Auf einer etwa kreisrunden Fläche von fast 2000 Quadratkilometern gibt es nur am östlichen Rand des Parks mit dem Kungsleden einen längeren Wanderweg. Ansonsten ist das Gebiet weg- und infrastrukturlos, hat nur am Rande Natelempfang. Der Sarek bietet noch richtig viel Wildnis mit dichten Wäldern, ausgedehnten Sümpfen, brückenlosen Bächen, steilen Geröllfeldern und wilden Gletschern. Das Gebiet ist im Sommer meist erst ab Mitte Juni wieder einigermassen zugänglich.

Campingspot am Fuss des Berges Niak

Es ist drei Jahre her, seit ich das letzte Mal dort war und ich freue mich in der zweiten Hälfte Juni wie ein kleiner Schulbub auf die Auszeit in der rauen Natur über dem Polarkreis. Ich werde die Tage mit Wandern und Fotografieren verbringen und viel Zeit und Raum zum Nachdenken haben. Im Rucksack habe ich Essen für 14 Tage (ca. 14 Kg) und Ausrüstung wie Zelt, Schlafsack, etwas Kleider und was man halt so minimal zum Leben und Fotografieren dort draussen braucht (knapp 12 Kg). Pro Tag verschwindet etwa ein Kilo Essen und der Rucksack wird stetig leichter und kleiner.

Während ich zu Fuss unterwegs bin und nicht gerade voll konzentriert Kartenlesen muss oder durch Sümpfe oder sonst extrem unwegsamem Gelände laufe, bleibt viel Zeit zum Fotografieren und Nachdenken. Die Gedanken mäandrieren zwischen völlig belanglosen Dingen (Burger und Pommes oder ein riesiger frischer Salat nach der Rückkehr in die Zivilisation?) und Gedanken bis hin zum eigenen Daseinszweck hin und her. Immer mal wieder stellt sich natürlich auch die Frage, warum machst du das hier überhaupt? Es ist oft kalt, meistens nass und anstrengend und hat dieses Mal seeehr viele Moskitos und trotzdem komme ich immer zur gleichen Antwort: Weil ich es leidenschaftlich gerne mache, mich die Wildnis erfüllt, ich mich dort wohl fühle und das Herz auftanken kann. Also kann es ja nicht so falsch sein, oder? Für mich sind solche Touren ein Teil des Zwecks meiner Existenz (kurz ZDE). Der ZDE ist ein zentrales Element in den Büchern des amerikanischen Autors John Strelecki und wurde besonders bekannt durch sein Buch „Das Café am Rande der Welt“. Dort strandet der Protagonist, John, auf einer einsamen Landstraße in einem kleinen Café, das ihm ungeahnte Erkenntnisse über das Leben und seinen eigenen Daseinszweck eröffnet.  

Was ist den nun der Zweck der Existenz?

Der Zweck der Existenz ist ein Konzept, das auf der Annahme beruht, dass jedes Individuum auf der Welt aus einem bestimmten Grund existiert. Dieser Grund ist der „Zweck“, den es zu entdecken gilt. Laut Strelecki ist der ZDE der Schlüssel zu einem erfüllten Leben. Sobald man seinen persönlichen ZDE erkannt hat, wird das Leben klarer und bedeutungsvoller und Entscheidungen und Handlungen können auf dieses übergeordnete Ziel ausgerichtet werden. Wichtig dabei ist, dass Strelecki betont, dass der ZDE nicht zwangsläufig ein großes oder außergewöhnliches Ziel sein muss. Vielmehr geht es darum, zu erkennen, was einem selbst tief in der Seele wichtig ist und was das eigene Leben mit Sinn füllt. Für mich ist dies z.B. immer wieder Zeit alleine in der Wildnis verbringen zu können um Abstand zum Alltag und seinen vielen Herausforderungen zu gewinnen. Die weite und raue Natur hat eine Art, die mir hilft, den Fragen und Problemen wieder die richtigen Dimensionen und Wichtigkeit zu geben. Nicht erreichbar zu sein und ständig mit Inhalten bombardiert werden wirkt entschleunigend und hilft mir mehr bei mir selbst zu sein.

 Um den eigenen ZDE zu entdecken, stellt Strelecki John drei Fragen, die er auf der Speisekarte des Café am Rande der Welt findet. Diese Fragen sollen einem helfen, sich selbst und den eigenen Lebenssinn besser zu verstehen:

1. Warum bist du hier?

Diese Frage fordert dich dazu auf, über den tieferen Sinn deiner Existenz nachzudenken. Sie soll dich dazu anregen, deine eigenen Werte und Überzeugungen zu hinterfragen und den übergeordneten Grund für dein Dasein zu erkunden. Es geht darum, die Motive und Leidenschaften zu entdecken, die einen im eigenen Leben antreiben und inspirieren.

2. Hast du Angst vor dem Tod?

Diese Frage stellt die Vergänglichkeit des Lebens in den Mittelpunkt und dient als Reflexion über deine eigene Lebensweise. Führst du dein Leben so, dass du es nicht bereuen würdest, wenn es plötzlich zu Ende wäre? Indem du dich mit der Endlichkeit des Lebens auseinandersetzt, wirst du ermutigt, bewusster zu leben, Wünsche und Bedürfnisse nicht immer zu verschieben und das Leben nicht als selbstverständlich zu betrachten.

3. Führst du ein erfülltes Leben?

Hier wirst du aufgefordert, deinen aktuellen Lebensstil zu bewerten. Diese Frage hilft dir dabei, festzustellen, ob du im Einklang mit deinen Werten und Zielen lebst oder ob es Bereiche gibt, die du verändern solltest. Es ist ein Aufruf zur Selbstreflexion, um sicherzustellen, dass dein Handeln dem entspricht, was du als den eigenen Lebenszweck identifiziert hat.

Der Ansatz von Streleckis fasziniert, da er einfach und dennoch tiefgründig ist. Die Idee, mit Hilfe der drei Fragen den eigenen ZDE zu finden und danach zu leben, kann dir als Leitfaden dienen, um ein bewussteres und erfüllteres Leben zu führen.

Was hat der Zweck der Existenz mit der nordischen Wildnis zu tun?

Aus vergangenen Settings mit Menschen, die wir bei Veränderungen begleitet haben und aus eigener Erfahrung wissen wir, dass uns der Aufenthalt in der Natur gut tut und Räume und Felder öffnet, die im Alltag und geschlossenen Räumen weniger leicht zugänglich sind. Die Reduktion der möglichen Ablenkungen und des täglichen Lebens auf die Grundbedürfnisse (physiologische Bedürfnisse wie Nahrung und Schlaf, sowie Sicherheit) lenken den Fokus auf das eigene Innenleben. Damit wird eine Auseinandersetzung mit sich selbst und ehrliche Antworten dazu einfacher und echter. Muss man dazu gleich in den Norden in die Wildnis? Nein, es tut es selbstverständlich auch die Natur in der Schweiz. Ich bin halt einfach gerne länger allein unterwegs (im Sarek habe ab Tag 3 bis Tag 12 keine Menschen angetroffen, es war grossartig!) und habe keine Probleme mit Einsamkeit. Das Eintauchen in Fragen zu mir selbst wie etwa dem Zweck der eigenen Existenz wird für mich damit nur noch intensiver.

Hast du dir auch schon Fragen zum Zweck deiner Existenz gemacht und Antworten darauf gefunden? Lebst du nach den Erkenntnissen daraus? Falls du auf die Suche nach deinem ZDE gehen möchtest und dir dabei Unterstützung wünschst, empfehlen wir dir ein Einzelcoaching mit Simone oder mir. Gerne begleiten wir dich auf deinem Weg dabei.

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